Liebe Leute,
ich muß jetzt hier mal was loswerden, ws mir heute abend passiert ist. Ich verstehe nicht, was mit mir los
ist. Als ich nach der Arbeit ging, wollte ich eigentlich zum Sport. Aber ich war am Ende doch zu träge und
bin direkt vor der Tür umgedreht, um nach Hause zu fahren und lieber in alte Gewohnheiten zu verfallen als
da wäre: Fernsehen, Essen, auf dem Sofa liegen. Und als ich so nach Hause fuhr, dachte ich: Ich will doch
gar nicht essen, ich habe keinen Appetit, ich habe keinen Hunger. In Wirklichkeit will ich was ganz anderes,
aber was bloß? Ich weiß auch nicht, was ich will. Wirklich. Eigentlich, so schien es mir, ging es mir doch
gut. Und es sprachen ganz objektive Gründe gegen das Fitness-studio heute abend: Es ist zu spät, ich muß
zu Hause noch was für den nächsten Tag vorbereiten etc.
Am Ende habe ich doch gegessen. Und zwar so viel und so schnell, daß mir richtig schlecht ist jetzt.
Nudeln, Kartoffelbrei,, Brötchen. Ein schwerer Kohlenhydrat-Exzeß. Das Verrückte dabei ist: Ich wußte die
ganze Zeit, daß ich eigentlich nicht essen wollte. Mir hat es auch nicht gut geschmeckt. Im Gegenteil: Ich
habe es geradezu gehaßt! Und mein Magen tat mir weh. Aber es war, als hätte ich eine Grenze mitten durch
mich hindurch: dem Bauch tut es schon weh, er will schoin längst nichts mehr. Aber im Mund ist es ganz
leer, der sabotiert den Verstand und will mehr und mehr und mehr. Zwischendrin habe ich gedacht:
“Vielleicht sollte ich einfach alles kauen und dann wieder ausspucken?”
Solche Freßattacken habe ich immer wieder. Selten, daß ich dabei so klar denke wie heute. Normalerweise
stopfe ich einfach nur, damit ich nicht denken muß. Und das sieht man mir auch an: Ich bin knapp 1, 62
groß und wiege zur Zeit 103 Kilo. War schon mal mehr. Und natürlich auch viel weniger.
Wie die meisten hier habe ich die klassische Karriere hinter mir: aus dem ganz leichten Übergewicht (65 kg)
durch Diäten, Heilfasten, Weight Watchers in die extreme Adipositas. Manchmal, wenn ich mir erlaube,
darüber nachzudenken (was ich aber nur selten tue, weil es mich dann ganz verzweifelt und hoffnungslos
macht), dann kriege ich so eine Wut - auf mich selbst in erster Linie, auf meine von Figur und anderen
Äußerlichkeiten besessene Mutter, auf die ganze Welt einfach.
Ich bin seit längerer Zeit als stille Leserin hier im Forum unterwegs. Und schreibe nun deshalb, weil ich in
vielen postings auch mich und meine Geschichte wiedererkannt habe. Und auch auf Gedanken kam, die ich
vorher nie gedacht habe. Zum Beispiel frage ich mich jetzt: Woran erkenne ich, ob ich eine Eßstörung habe?
Habe ich eine? Kann man das tatsächlich irgendwie diagnostizieren?
Vielleicht schreibt jemand von Euch mal auf, was er oder sie dazu denken?
Sehr unglücklich und mit Magenschmerzen,
das Winterkind.