wohlfühlen oder arrangieren ?

  • Hallo,
    ich hab schon seit langer Zeit etwas auf der Seele, was ich mal loswerden wollte - ich hoffe, es ist nicht schon zu abgedroschen.
    Ich habe schon eine steile Diätkarriere hinter mir mit allen Höhen und Tiefen, die sicherlich viele von Euch kennen. Ich bin jetzt grad in der Endphase einer zweijährigen Therapie, bei der ich das Abnehmen aber bewusst nicht in den Vordergrund gestellt habe. Tatsache ist, dass ich eigentlich im Laufe der letzten 10 Jahr stetig zunehme (zwischendurch immer mal wieder ab mit hinterher noch mehr Kilos als vorher, der bekannte Jo-Jo-Effekt) und es geht mir dabei immer schlechter (zur Zeit 124 kg bei 160 cm). Ich merke, dass ich so langsam an meine körperlichen Grenzen stoße und das belastet mich unheimlich. Ich kann nicht mehr lange laufen, bin beim Treppensteigen nur am Schnaufen und kriege schon halbe Panikattacken, wenn ich weiss, dass ich irgendwo sehr lange stehen muss. Ich merke, dass die Lebensqualität durch dieses hohe Gewicht enorm eingeschränkt ist, aber ich schaffe es einfach nicht, endlich mal durchzustarten. Wahrscheinlich hab ich meinen Stoffwechsel im Laufe der Jahre völlig ruiniert, aber ich habe riesige Angst davor, noch mehr zuzunehmen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die sich bei einem solchen Gewicht wohlfühlen - man kann sich arrangieren, ja, muss man wahrscheinlich auch, aber wohlfühlen ... Ich habe schon gehört, man muss sich erst selbst annehmen und akzeptieren, bevor man etwas ändern kann, aber das kann ich nicht. Ich meide jeden Ganzkörperspiegel und schaue in kein Schaufenster und freue mich über jeden Tag, an dem der Sommer mit seinen 30 Grad auf sich warten läßt.
    Wie seht Ihr das denn ? Nehmt Ihr Euch an, so wie Ihr seid oder arrangiert Ihr Euch auch ? Da ich weiss, wie schlecht ich mich selbst in meiner Haut fühle, fällt es mir so schwer, mir vorzustellen, wie ich mich mit all meinen Kilos gern haben kann ...
    Vielen Dank fürs Zuhören, liebe Gruesse
    Sonnenblume

  • Hi Sonnenblume,


    Zitat

    Nehmt Ihr Euch an, so wie Ihr seid oder arrangiert Ihr Euch auch ?

    Zuerst habe ich mich arrangiert. Doch mittlerweile nehme ich mich so an, wie ich bin, denn ich weiß, dass es mich kaum noch anders geben wird. Diese "Selbstannahme" ist keine Resignation des Feindes Körper gegenüber. Auch das habe ich lernen müssen. Selbstazeptanz ist keine Selbstaufgabe. Sie ist genau das Gegenteil.


    Zitat

    Ich meide jeden Ganzkörperspiegel und schaue in kein Schaufenster ...

    *lächel* Das kenne ich nur zu gut. Mein Bekannter hat mit mir vor einiger Zeit etwas sehr bedeutsames gemacht: er hat mich vor einen Ganzkörperspiegel gezogen und mich gefragt, was ich sehe. "Natürlich" sah ich nur eine Dicke unter 1,50 mit guten 100kg Gewicht. Dann sagte er mir, was er sieht: "Ein wunderschönes ovales Gesicht, schöne große grüne Augen, einen niedlichen Mund, schöne Haare, schöne große Brüste und einen knackigen Po. So sehen Männer dich."


    Es brauchte ein bisschen Zeit, doch das habe ich langsam aber sicher übernommen. Heute sehe ich nicht mehr einen fetten hässlichen Ballen Mensch, sondern ich versuche, die Einzelheiten zu sehen, die schön sind - die ich auch als schön empfinde. Das hat mir wirklich sehr geholfen auf dem Weg zu Selbstakzeptanz.


    Zitat

    ... und freue mich über jeden Tag, an dem der Sommer mit seinen 30 Grad auf sich warten läßt.

    Auch das kann ich nur zu gut nachempfinden. Ich habe noch immer diese latente Angst, es könnte heiß werden. Aber ich denke, diese Hürde werde ich auch noch nehmen ;)

  • Zunächst einmal solltest du vermutlich daran arbeiten, daß deine körperliche Fitneß besser wird. Auch dicke Menschen können fit und beweglich sein, und wenn man das Gewicht dann nicht mehr so als "Last" empfindet, lebt es sich sehr, sehr viel besser damit.


    Treibst du irgendwelchen Sport? Schwimmst du, gehst du spazieren, machst du Gymnastik o. ä.? Wenn nicht, dann überlege, was dir Spaß machen könnte, und fange dann ganz langsam und behutsam an. Du wirst sehen, sobald dein Körpergefühl und deine Kondition sich verbessern, wirst du dich in deiner Haut wohler fühlen und dich leichter akzeptieren und lieben können.

  • Hallo sonnenblume,
    ich hatte dir vorhin eine halbe Stunde lang eine sooooo ausführliche Antwort getippt, und dann war das Forum "geschlossen" als ich ihn absandte und der Text ging verloren! Bin STINKESAUER!! Kann man das technisch nicht machen, OHNE dass alle Texte verloren gehen???????


    Ich hab jetzt auch ehrlich keinen Nerv und keine Lust mehr, das alles nochmals zu tippen und kriege es eh so nicht mehr hin wie ichs geschrieben hatte. Aber ich versuchs mal...seufz! *G*


    Ich hatte dir von meiner "Essstörungs"-Karriere berichtet und von meiner Therapie die letzten Jahre....


    Zu Deiner körperlichen Schwäche: Das Problem kenne ich sehr gut. Letztes oder vorletztes Jahr hatte ich mal länger eine ziemlich depressive Phase und bin tage- und wochenlang nicht aus dem Haus gegangen. Ich bin dann völlig erschrocken als ich merkte, dass ich gar nicht mehr richtig vom Boden hochkomme, wenn ich mich hinsetze, dass meine Muskeln viel zu schwach sind. Das ist aber auch kein Wunder, denn ich glaube unsere Gelenke und Bandscheiben sind nciht dafür "ausgelegt" ein Adipositas-Gewicht zu tragen. Die Muskelmasse wird geringer, je weniger man sich bewegt (kennt man ja auch von bettlägerigen oder alten Leuten die sich nichtbewegen, wei schnell da die Muskelmasse verloren geht), und wenn man das jahrelang so macht, dann ist es wenn man dick ist natürlich noch schwere für den Körper als wie wenn er nur 60 kg tragen müsste...


    Zu dem das Übergewicht akzeptieren:
    Ich glaube nicht, dass man als ehemals Schlanker jemals das starke Übergewicht akzeptieren wird, und ich persönlich habe dies auch gar nicht vor! Ich hatte dazu rund 30 Minuten was Dir ausführlichst geschrieben, aber wie gesagt leider hatte jemand hier das Forum dann "geschlossen" und mein Beitrag ist weg.


    Was ich noch unter vielen anderen Sachen Dir geschrieben hatte war, dass das Aufrechterhalten Deines Übergewichtes für Deine Seele sicher noch eine "Funktion" und einen positiven "Nutzen" haben muss, denn sonst würdest du - da du ja vermutlich nicht aus erblichen Grüdnen adipös geworden bist - das Abnehmen hinkriegen.


    Ich ahbe während meiner nun 2-jährigen ambulanten Verhaltenstherapie, die imme rmehr zu einer tiefenpsychologischen Gesprächstherapie zu den Hinetrgründen meines Essverhaltens geworden ist, einige Dinge entdeckt, die mir noch nicht dermassen bewusst waren. Ich merkte zwar immer dass ich meist aus einem Gefühl von "hilfloser Wut" und "Ärger" heraus in Essanfälle rutsche, aber es ist noch viel vielschichtiger....Koennte das bei dir auch der Fall sein?


    Vielleicht hast du wie ich auch gelernt, sowohl das "Essen" als auch das "Diäthalten" als Hilfsmittel zu benutzen, um Dich aus aktuell unlösbaren Gefühlszuständen oder äusseren Situationen, die du kurz(!)fristig nicht ändern kannst oder Dich nicht ändern traust wegzubeamen, zumindest für die Dauer des Essens oder die Dauer der "Erfolgserlebnisse auf der Waage beim Diäten (z.B. eine lieblose Ehe zu verlassen, weil Du dich nicht alleine leben traust oder Ärger über jemanden, dem du dies nicht mitteilen kannst).


    Erst wenn Du inerlich stark genug bist, diese Lebensumstände zu ändern, die Dein unnormales Essverhalten aufrecht erhalten, wirst Du, denke ich, Dein Gewicht loslassen koennen.


    Was mich meine Therapeutin mich mal fragte: WAS wäre Ihr Lebensinhalt und Tagesinhalt, wenn Sie das Gewichtsproblem und das Essverhaltensproblem NICHT hätten? WO würden Sie dann Ihre Aggressionen und Wut ausleben, wenn nciht mehr weiter an Ihrem Körper?


    Es fiel mir damals schwer, darauf eine konkrete(!) Antwort zu finden, denn meine Figur und meine Essanfälle "besetzen" zeitweise all meine Energie und all meine Zeit und meine Gedanken. Das ist natürlich ein "idealer Weg" um anderen(!), noch ernsteren eventuell wichtigeren Lebensentscheidungen "auszuweichen", da man ja durch die Esstörugn für diese anderen Sachen in der Tat keine Kraft mehr hat!


    Auch merkte ich, dass ich seit meiner Kindheit (extreme körperliche Misshandlungen durch meine Mutter die ich hasse) und JETZT IMMER NOCH, obwohl doch meine Mutter physisch weit weit weg von mri ist, noch immer es meiner Mutter "nicht gönne", dass es MIR gut geht! Weil das dannn für mich bedeuten würde, dass mri die Misshandlungen nicht "geschadet" und mein Leben und all meine Beziehungen zu Menschen zerstört hätten (und das haben sie in der TAT!), sondern dass quasi ja nix Schlimmes gewesen ist. Und dass ich deshalb meine Schönheit zerstört habe (und weiter zerstöre), meine guten Finanzen ruiniert habe aus einem Selbstzerstörungszwang heraus (von über 500 000 EUR auf 70 000, nur damit Du auch mal die Grössenordnung siehst, in der man sich zerstören kann) und auch es mir beruflich nicht gutgehen lasse. Immer wenn alles äusserlich perfekt ist, fange ich an alles zu sabottieren unbewusst....
    Dies ist mir erst in der Gesprächstherapie mit meiner Essstörungstherapeutin klargeworden.


    Natürlich schiebe ich das reine Gewichtsproblem derzeit ziemlich in den Hintergrund, akzeptieren kann ich es nicht und werde es auch niemals akzeptieren (mir kommt das immer wie "Selbstbetrug" vor und erinnert mich an diese unsäglichen Adipösen in den Talkshows, sich einzureden, dass ein zig-mal mit Diäten traktierter Körper in Adipositas-Grössen in irgendeiner Form nach durchschnittlichem Empfinden in irgendeiner Form "ästhetisch" oder gar attraktiv sein soll.


    Ich akzeptiere aber für den JETZIGEN Zeitpunkt, dass ich nunmal dieses Gewicht und diesen Körper habe und arbeite unabhängig vom derzeitigen Körpergewicht an den "Gründen", die mich "zwingen", dieses Übergewicht aufrecht zu erhalten.


    Ich nehme an, mein Setpoint läge jetzt bei rund 70 Kg rum, wenn ich normal essen koennte, da will ich wieder hin. Vielelicht schaff ich es nie, wenn ich es nicht schaffe, die anderen Dinge in meinem Leben zu verändern, wegen denen ich das Überessen und das Übergewicht "(miss-)brauche".


    Ich will damit Dir nur sagen, dass wenn Du Dein Gewicht und dein Aussehen derzeit nicht akzeptieren kannst und es Dich verzweifelt macht, Du Deine Aufmerksamkeit und Kraft auf Deine ganz persönlichen Gründe, die dich dick bleiben lassen zu konzentrieren. Dann wird Dein Gewicht ganz von selber auf Deinen individuellen Setpoint sinken.


    Vorher würde eine Gewichtsabnahme durch Durchhalten einer Diät (das sicher auch bei einer Essstörung theoretisch möglich ist, wenn mane inen konkreten Grund zum Abnehmen hat und dieser Grund einem WICHTIGER als alle sandere ist) gar keinen Sinn machen, denn bei der nächsten Krisensituation würde Dein "Suchtgedächtnis" Dich sofort wieder an die ja mögliche Erleichterung durch Essanfall erinnern....


    Wenn Du Dein starkes Übergewicht als "Ausdruck seelischen erlittenen Leides" oder als Ausdruck für eine schwierige Lebenssituation die letzten Jahre siehst, dann verdammst Du Dich vielleicht auch nicht mehr so dafür, denn vielleicht war es ja ganz KLUG(!) von Dir, Dich zu überessen statt mit einer Situation/Gefühlen nicht klarzukommen und dann in sehr schwere Depressionen oder sonstige schlimme Krankheiten oder Süchte zu verfallen?!
    In Spiegel reinzugucken bereitet mir keine Schwierigkeiten, allerdings ist die Frau in dem Spiegel vom typ her für mich eine völlig Fremde und ich kann mcih damit nicht identifizieren. Ich würde jetzt nicht so weit gehen, dass ich eine Körperwahrnehmungsstörung wie die Magersüchtigen habe, aber dieses matronenhafte aufgedunsene Wesen ist mir völlig fremd, ich habe ein anderes "Bild" von mir vor meinem Auge noch und erschrecke manmchmal richtiggehend, wenn ich länger reinschaue, was ich ab und an absichtlich ganz bewusst einige Minuten tue, um mir bewusster zu werden, dass DIES nun für den jetzigen Zeitpunkt mein Körper udn mein Aussehen ist.

    [ 29-06-2004, 22:29: Beitrag editiert von: Kampfblaumeise ]

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