Demenz

  • Aus beruflichen Gründen sind mein Mann und ich in den letzten sieben Jahren insgesamt viermal umgezogen. Von daher hatten wir viele neue Nachbarn kennen gelernt. In jeder neuen Wohnung hatten wir entweder im selben Haus, oder in der näheren Nachbarschaft, wenigstens einen an Demenz erkrankten Nachbarn.


    Ich überlege schon seit längerem, wie das damals, als ich ein Kind bzw. eine Jugendliche, war. Gab es denn damals auch so viele an Demenz erkrankte Menschen - ich kann mich daran erinnern, dass mein Vater bei verschiedenen Leuten im Dorf gesagt hat „die oder der ist verkalkt“. Die Menschen von denen mein Vater sprach waren Leute die entweder meinen Namen vergessen hatten, oder meinen Namen oft verwechselten … es waren sehr alte Menschen, die von ihrer Vergesslichkeit abgesehen, nicht völlig hilflos auf mich wirkten.


    Die Menschen die ich heute sehe und die an Demenz erkrankt sind, ähneln den Menschen von früher nicht, heute wirken die Menschen, auf mich, apathisch und energielos. War das denn früher eine andere Krankheit die die Menschen hatten, oder kommt das alles nur mir so vor?

  • Hey,


    ich schätze, dass das mit unserem demographischen Wandel zu tun hat.
    Die Leute werden immer älter. Und damit kommen auch immer mehr "Alterskrankheiten".
    "Früher" gab es auch nicht so einen großen Bedarf an Alten/Pflegeheimen. Zum einen, weil sich die Familie um die alten Leute in der Fam. kümmern konnten und zum anderen, weil die Menschen nicht so viele Jahre hilflos waren.


    Was noch hinzukommt ist auch mMn die Vereinsamung der alten Leute.
    Nicht alle haben eine Familie, die sich regelmäßig um sie kümmern.
    Der Ehepartner bereits verstorben, die Nachbarn kümmern sich um die alte Dame von Nebenan nicht.


    Und ein dritter Punkt ist, dass die Diagnose Demenz oder gar Altsheimer früher kaum gestellt wurde.
    Die Leute waren halt alt und tüddelich.
    Ähnlich wie die Sache mit ADS, Burnout und Co.

  • Catstar: erst einmal Danke für deine Antwort. Ich hatte in einem vorherigen Beitrag von dir gelesen, dass du eine Ausbildung im pflegerischen Bereich hast und bestimmt hattest du darüber auch Kontakt zu demenzkranken Menschen.


    Wird die „Tüddeligkeit“, denn heute oft als Demenz eingestuft? Diese Frage stelle ich mir deshalb, da die Vergesslichkeit im Alter doch auch ein ganz normaler Prozess sein kann.

  • Hey,


    naja, Demenz ist eigentlich eine nicht ganz so einfache Sache.
    Man kann nicht in 2 Minuten sagen "Der hat Demenz" und "Der hat keine"
    Demenz kann viele Ursachen haben und ist oftmals auch anatomisch sichtbar. Also, anhand von Zellverfall im Gehirn z.B. oder Gefäßveränderungen, bestimmte Nervenregionen degenerieren.
    Es gibt auch, zur Diagnosehilfe einige Tests. Am bekanntesten ist der Uhr-Test.
    Hierbei soll der Betroffene eine Uhr malen. Und dann die Uhrzeit 15.45uhr einzeichnen-


    Wenn dir bei der Pflege eines alten Menschen auffällt, dass er fragt "Nanu, wo ist denn meine Brille?" obwohl er sie auf dem Kopf hat, oder er deinen Namen nicht mehr weiß oder vergessen hat wo die Cafeteria ist, stufst du ihn nicht direkt als dement ein.
    Denn all das passiert sicher jedem von uns mal.
    Eine leichte Demenz beginnt man daran aus zu machen, dass die Leute sich zeitlich schwerer orientieren können.
    Allerdings noch selbstständig sind.
    Deswegen ist es bei beginnender und bestehender Demenz wichtig, dem Betroffenen immer ein Zeitgefühl zu geben.
    (Guten morgen, es ist jetzt 7.00 uhr in einer Stunde gibt es Frühstück)


    Ich arbeite nebenbeurflich noch in einem Pflegeheim.
    Wir haben da z.B. für unsere Bewohner eine Zeittafel. Das hilft ihnen ungemein.
    Denn die Leute merken selbst, dass es ihnen schwerer fällt sich im Tag zu orientieren. Und das macht sie oftmals traurig.
    (Aber ich schweife ab ;D)


    Jedenfalls folgt nach dieser zeitlichen Desorientierung meist der Verlust der Selbstständigkeit (Wissen nicht mehr wie rum man eine Hose anzieht) (Vergessen den Namen der Tochter)
    Naja, und das steigert sich dann immer weiter.


    Ich habe sehr selten erlebt, dass alte Menschen "falsch" eingestuft wurden, was ihre geistigen Ressourcen anging.
    Oftmals wollen es eher die Verwandten nicht wahr haben und sagen "Ach was, Mutti ist doch nur schusselig".


    Darf ich fragen wie du auf das Thema kommst, bzw warum es dich intressiert? :)

  • Nicht jeder Mensch, der "schusselig" ist,ist an einer Demenz erkrankt. Dies liegt daran, dass im Alter die fluide Intelligenz abnimmt, d.h. die Fähigkeit sich schnell auf neue Situationen einstellen zu können.Dies wird aber in den meisten Fällen durch die kristalline Intelligenz kompensiert, also durch die Lebenserfahrung wenn man so will.
    Wie hier schon geschrieben wurde,wird jemand der mit Demenzerkrankten viel Kontakt hat, schneller bemerken/differenzieren können, ob Anzeichen für eine Demenzerkrankung vorhanden sind.Eine Demenz kann nur durch einen Arzt diagnostiziert werden, der bestimmte Diagnostikverfahren hinzuzieht.Der gängigste dürfte momentan wohl der "Mini-Mental-Status- Test" sein. Generell wird auch noch zwischen einer primären Demenzerkrankung und einer sekundären Demenzerkrankung unterschieden,wobei primäre Demenzerkrankungen nicht heilbar sind.
    Das Thema ist Momentan tatsächlich durch den demographischen Wandel omnipräsent. Während nur etwa 5% der 60-70 jährigen an einer Demenz erkranken, sind es in der Altersgruppe von 80-90 Jahren schon 25 % und bei den über 90 Jährigen sind es 30 %.

  • Aus beruflichen Gründen sind mein Mann und ich in den letzten sieben Jahren insgesamt viermal umgezogen. Von daher hatten wir viele neue Nachbarn kennen gelernt.


    Größe der Stichprobe. Du hast jedes Mal neue Leute kennengelernt und ein gewisser Prozentsatz war eben immer erkrankt.


    Zitat

    In jeder neuen Wohnung hatten wir entweder im selben Haus, oder in der näheren Nachbarschaft, wenigstens einen an Demenz erkrankten Nachbarn.


    Das sind, auch über kurze Zeitspannen betrachtet, die Auswirkungen der modernen Medizin. Menschen überstehen einfach mehr Krankheiten, werden älter und dann sieht man eben die Auswirkungen der Krankheiten. Hinzu dürfte die Tatsache kommen, dass sich viele Angehörige bemühen, dem Wunsch ihrer Eltern nachzukommen, "zu Hause alt zu werden". Diese Leute sind dann eben eher im Alltag zu treffen als Pflegeheimpatienten.

    Zitat

    Ich überlege schon seit längerem, wie das damals, als ich ein Kind bzw. eine Jugendliche, war. Gab es denn damals auch so viele an Demenz erkrankte Menschen - ich kann mich daran erinnern, dass mein Vater bei verschiedenen Leuten im Dorf gesagt hat „die oder der ist verkalkt“.


    Ich unterstelle jetzt mal alle oben genannten Punkte plus die Tatsache, dass dich das als Kind einfach nicht so interessiert hat. Bzw, dass es leichter viel, die Verwirrtheit als Eigenart der dir bekannten Leute anzunehmen.

    Zitat

    Die Menschen die ich heute sehe und die an Demenz erkrankt sind, ähneln den Menschen von früher nicht, heute wirken die Menschen, auf mich, apathisch und energielos. War das denn früher eine andere Krankheit die die Menschen hatten, oder kommt das alles nur mir so vor?

    Zitat
    Zitat


    Ich nehme an, dass man den wirklich schlimmkranken Menschen früher nur nicht so häufig begegnet ist. Mit Zahlen belegen könnte ich dir diese Idee aber nicht.

  • Darf ich fragen wie du auf das Thema kommst, bzw warum es dich intressiert? :)


    Mir ist es tatsächlich nur daher aufgefallen, dass wir so oft umgezogen sind und so viele schwer demenzkranke Nachbarn kennen lernten. Vorher hatte ich mich für Thema Demenz nicht so sehr interessiert. Ich hatte auch überlegt, ob eventuell Medikamente für die "Erscheinungsform" der Kranken mitverantwortlich sind.


    Deinen ausführlichen Bericht fand ich interessant.

    Nicht jeder Mensch, der "schusselig" ist,ist an einer Demenz erkrankt. Dies liegt daran, dass im Alter die fluide Intelligenz abnimmt, d.h. die Fähigkeit sich schnell auf neue Situationen einstellen zu können.Dies wird aber in den meisten Fällen durch die kristalline Intelligenz kompensiert, also durch die Lebenserfahrung wenn man so will.


    Dass war mein Gedanke, ob jemand der "schusselig" ist die Diagnose Demenz gestellt bekommt und danach mit Medikamenten behandelt wird, obwohl er vielleicht einfach "nur" altersbedingt schusselig ist.

  • Dass war mein Gedanke, ob jemand der "schusselig" ist die Diagnose Demenz gestellt bekommt und danach mit Medikamenten behandelt wird, obwohl er vielleicht einfach "nur" altersbedingt schusselig ist.


    Meiner Erfahrung nach ist das nicht so,denn eine Demenz muss diagnostiziert werden, wie schon oben beschrieben. Medikamente, die dann eventuell verschrieben werden, sollen das Fortschreiten der Demenz verlangsamen und wirken meiner Erfahrung nicht apathisch und energielos auf die Patienten.Alllerdings werden diese Medikamente aus ökonomischen Gründen selten verschrieben.Häufig nur bei jüngeren Patienten, weil sie ansonsten "zu teuer" sind.

  • Größe der Stichprobe. Du hast jedes Mal neue Leute kennengelernt und ein gewisser Prozentsatz war eben immer erkrankt.


    Du hast natürlich Recht, dass es sich bei meinen Erfahrungen nur um eine Zufallsstichprobe handelt.

    Zitat

    Ich unterstelle jetzt mal alle oben genannten Punkte plus die Tatsache, dass dich das als Kind einfach nicht so interessiert hat. Bzw, dass es leichter viel, die Verwirrtheit als Eigenart der dir bekannten Leute anzunehmen.


    Das ist durchaus möglich, dass man als Kind alte und kranke Menschen einfach nur als sonderbar abgetan hat.

  • Naja, vielleicht sind ja dann die Demenzkranken die ganz "normalen" Leute... :p
    Viel Lachen hilft. Das ist erwiesen, also das Leben nicht auf die schwere Schulter nehmen, wir werden damit nichts aufhalten, auch wenn wir noch so sehr Angst davor haben.

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